Pit Kroke, Berlin/San Teodoro

architektonische Skulpturen - skulpturale Architekturen

Ausstellung:
3. Juni - 29. Juni 2008

Eröffnung:
Dienstag, 3. Juni 2008, 18.30 Uhr

Zur Eröffnung sprechen:
Kristin Feireiss
, Aedes Berlin
Miriam Bers, Kuratorin und Gründerin von GoArt! Berlin.

 

Aedes Kooperationspartner

 

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  • Pit Kroke

  • Miriam Bers, GoArt! Berlin

Die Ausstellung mit dem in Berlin und auf Sardinien lebenden und arbeitenden Bildhauer Pit Kroke stellt eine Auswahl von Skulpturen aus seinem Zyklus Ludus architectonicus vor. Die in einer Installation im Studio von Aedes am Pfefferberg präsentierten Arbeiten sind in den urbanistischen Aufbruchjahren des wiedervereinten Berlin, auch als kritischer Kommentar dazu, entstanden.

Pit Krokes Kleinskulpturen sind funktionslose Architekturspiele und niemand käme auf die Idee, sie als maßstäbliche Architekturmodelle zu begreifen. Sie bilden eine poetische Vision imaginärer Verbindungen von Skulptur und Architektur, ein Idealbild skulpturaler Architektur. Es sind aus freiheitlichem Geist schöpfende Capriccios aus architektonischen Elementen im Medium von Skulpturen.

Pit Kroke wurde 1940 in Fürstenwalde / Spree geboren. Er studierte in Berlin Bildhauerei unter Hans Uhlmann an der Hochschule für Bildende Künste. Kroke arbeitete auch mit experimenteller Fotografie und abstraktem Film, ebenso betrieb er architektonische Studien. 1964 ging er nach Sardinien, wo er anfänglich als Architekt arbeitete. 1981 nähert er sich wieder der freien künstlerischen Tätigkeit, der er sich seitdem ausschließlich widmet. 1997 stellten wir ihn bereits mit seinen beeindruckenden Stahlskulpturen in einer Ausstellung im Architekturforum Aedes East im Innen– und Außenraum aus.

Während die Ausstellung ‚skulpturale Architekturen - architektonische Skulpturen’ die letztentstan-denen Skulpturen aus dem Zyklus zeigt, sind in dem nun erscheinenden, von Nico Ott gestalteten Buch alle 55 Skulpturen dargestellt. Der Textbeitrag stammt von Christoph Brockhaus, der gleichzeitig Herausgeber des Buches ist. Brockhaus hat das Werk von Pit Kroke von Anfang an begleitet hat. Das Buch `Ludus architectonicus` erscheint zu dieser Ausstellung.

Über Freiheit und Poesie in Pit Krokes kleinformatigen architektonischen Skulpturen von Christoph Brockhaus

Der Künstler Pit Kroke hat seit seinen künstlerischen Anfängen in Berlin, den Jahren auf Sardinien und seit dem Mauerfall wieder in Berlin stets in Zyklen gearbeitet. Nicht nach Gestaltung drängend, sondern auf Impulse wartend. Der geradezu poetische Zyklus Ludus architectonicus - spielerisch, leicht und frei, aber zugleich kritischer Kommentar - ist in den urbanistischen Aufbruchjahren des wieder vereinten Berlin entstanden. Was diese Werke ausmacht, ist pure Raumkunst, ist die poetische Vision imaginärer Verbindungen von Skulptur und Architektur. Skulpturale Gestalt und architektonische Idee verbrüdern sich in stiller Zuneigung.

Pit Kroke kennt die wegen ihrer notwendigen Funktionalität eingeschränkte Freiheit des Architekten. Indem er die Funktionalität und Topographie der Architektur akzeptiert und mit skulpturalen Qualitäten verbindet, kann er hervorragende skulpturale Architekturen schaffen. Indem er um die Notwendigkeit funktionalen Denkens weiß, kann er um so unbefangener und bewusster architektonische Skulptur im monumentalen Stil schaffen und funktionslose Architektur-spiele als Kleinskulpturen kreieren. Vor dem Hintergrund fragwürdiger Investorenarchitektur und der gleichzeitigen Auflösung stringenten plastischen Denkens gewinnt sein Zyklus Ludus architectonicus an Aktualität für Architektur und Skulptur.

Als habe Pit Kroke alles in seiner Zeichnung, Skulptur und Architektur Erreichte zutiefst reflektiert, entfaltet er ebenso sicher wie erfindungsreich eine Serie von Werken, die alle bisherigen Erfahrungen bündelt und gleichzeitig um viele neue Möglichkeiten erweitert. Ein Werk folgt aus dem anderen. Es gibt keinen systematischen Plan, nur wiederkehrende gestalterische Auseinandersetzungen auf einer höheren Ebene der Spirale. Alle Skulpturen sind mehrteilig und bilden im Verhältnis der Teile zueinander zarte, labile Gleichgewichte. Die Statik von Geometrie und Stereometrie erfährt durch Asymmetrien und Durchbrüche, Schrägungen und Kantungen dynamisierende Gegenkräfte. Die konstituierenden Bauelemente sind feine Stahlstangen, die, schwarz oder anthrazitfarben gestrichen, für Lineamente und Transparenz sorgen, im Lichte leise Schatten werfen; dazu kommen glänzende und mattierte, massive Edelstahlelemente, die der Leichtigkeit der Gestänge die nötigen Gewichte entgegensetzen. Ferner verwendet Pit Kroke zumeist grau gestrichene Spanplatten sowie weiße und schwarze, durchscheinende und durchschwingende, gespannte textile Stoffe. Die Skulpturen stehen auf Holzsockeln, hängen an der Wand oder schweben unter der Decke. Äußerste Freiheit der Gestaltbildung verbindet sich mit der Stringenz der Form und der Präzision der Ausführung. Man ist an den schon 1959 formulierten Satz von Michel Seuphor in seiner Einführung zu seinem Handbuch „Die Plastik unseres Jahrhunderts“ erinnert, der lautet: „Die Skulptur trägt heute überall das Zeichen dieser Zartheit, dieser Sublimierung der Liebe“; er steht in einem Buch, das Pit Kroke seit seinem Erscheinen begleitet hat.

Wie könnte man diesen Ausdruck von architektonisch-skulpturaler Symbiose, von Raumpoesie beschreiben? Das erste Argument mag die Freiheit von Funktion sein. Keine einzige architektonische Gestalt erinnert an irgendeine vertraute Bestimmung. Gleichzeitig aber ist alles architektonische Struktur und skulpturale Gestalt. Die meisten Skulpturen stehen auf Platten, die nach unten abgeschrägt sind und deshalb Schatten werfen. So erscheint jede architektonische Figuration wie schwebend, wie eine Idee von Architektur, im Pei’schen Sinne vielleicht „Jenseitiges“ von Funktion signalisierend. „Bildarchitektur“ nannten es die Konstruktivisten der klassischen Moderne, deren Formenkanon hier aktualisiert erscheint.

Diese kleinformatigen Skulpturenräume weisen nur die Größe von Modellen auf. Als Skulpturen sind sie so präsent, so klar und rein, dass niemand auf die Idee käme, dass sie maßstäbliche Modelle für auszuführende Architekturen sind. Vielmehr steht hier das Modell für Idee, für ein Bild von Architektur. Das Modellhafte steht auch für den hohen künstlerischen Anspruch an die Architektur, für ein Idealbild von skulpturaler Architektur – das Gegenbild von architekonischer Skulptur.

Wir können uns aber auch bei der Suche nach einer Definition des Poetischen dieser skulpturalen Räume auf Friedrich Schlegel berufen, der in seinen „Fragmenten“ zur Poesie schreibt: „Werke, deren Ideal für den Künstler nicht ebenso viel lebendige Realität und gleichsam Persönlichkeit haben, wie die Geliebte oder der Freund, blieben besser ungeschrieben. Wenigstens Kunstwerke werden es gewiss nicht.“ Oder, an anderer Stelle: „Gebildet ist ein Werk, wenn es überall scharf begrenzt, innerhalb der Grenzen aber grenzenlos und unerschöpflich ist, wenn es sich selbst ganz treu, überall gleich und doch über sich selbst erhaben ist.“ „Lebendige Realität“ und „Persönlichkeit“ besitzt jedes einzelne Werk von Pit Kroke für sich, ebenso Klarheit in der Kontur und feinen Reichtum in der Durchformung.

Bei der Definition des Poetischen mag man auch bei Ossip Mandelstam und seinem „Gespräch mit Dante“ ansetzen, wo der sagt: „In der Poesie, wo alles Maß ist, alles vom Maß ausgeht, alles um das Maß kreist...“. In der Tat machen die Maßverhältnisse in diesen architektonischen Skulpturen eine wesentliche Qualität aus. Sie besitzen visuellen Verstand und fühlende Intuition zugleich, Verhältnismäßigkeit, Spiel und Rhythmik. Dadurch entgleitet diese Raumpoesie niemals ins Narrative, Literarische.

Die Formen erscheinen in ihrer Gegenständlichkeit abstrakt, bilden aber in ihren einzelnen Elementen stets ein partnerschaftliches Mit- und Gegeneinander, wirken gegenständig. Es gibt keine Hierarchie, dies auch dann nicht, wenn sich Formen übereinander und geradezu dekonstruktiv-labil wie in einem aktualisierten Merz-Bau türmen. Darum liegt das Poetische nicht zuletzt im dialogischen Prozess der Formen zueinander begründet. Die Dinge begegnen einander wie Personen, aber noch in diesem Beisammensein, so Paul Celan, spricht die Frage nach ihrem Woher und Wohin mit - eine offen bleibende, zu keinem Ende kommende, ins Offene und Besetzbare, ins Freie weisende Frage. Manche Skulpturen tragen sogar das Potential der Veränderbarkeit, der Variabilität in sich.

Poesie schließt Wirklichkeit als Charakter nicht aus, im Gegenteil. Darum kann Pit Kroke sagen: „Skulptur ist Wirklichkeit, kein Emblem, keine Metapher. Nicht Verschwommenheit, sondern architektonischer Charakter des Denkens“ machen Skulptur aus.

 


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