Bernard Khoury Architects, Libanon

PLAN B - Projekte in Beirut

25. April – 29. Juni 2003

Eröffnung/Opening:
Freitag, 25. April, 2003, 18.30 Uhr


 

Aedes Kooperationspartner

 

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Bernard Khoury Architects, Libanon

Die Ausstellung präsentiert das Werk des aus Beirut / Libanon stammenden Architekten Bernard Khoury. Während seiner achtjährigen Tätigkeit vor Ort hat Bernard Khoury mehrere experimentelle Projekte entwickelt, unter anderen das Projekt "Evolving Scars" von1993, das für einen progressiven Umgang mit den Kriegsschäden in Beirut plädiert. Die größeren Wiederaufbaubemühungen, die während der sogenannten Nachkriegsperiode gemacht wurden, erfolgten ohne institutionelle Beteiligung. Da es keine Stadtplanung im europäischen Sinne gibt, befand und befindet sich Beirut weitgehend in den Händen privater Investoren. Khoury selbst bezeichnet "postwar-Beirut" als die hyper-zeitgenössische Version einer kapitalistischen Stadt in einem Zustand der Anarchie; ein phantastisches aber auch erschreckendes Produkt westlicher Einflüsse, welches ausser Kontrolle geraten scheint. Khoury bettet seine Architekturen in ein Szenario ein, das als Nebenprodukt der Alltagsrealität und Neuinterpretation des gegebenen Kontextes fungiert. Der Club B 018 und die beiden Restaurants/Bars Centrale und Yabani sind solche gebaute Fiktionen, die den Umbruch einer Gesellschaft beschreiben, die sich Khourys Meinung nach gerade in einer merkwürdigen Verleugnungsphase befindet. Alle drei genannten Gebäude wurden in den letzten drei Jahren gebaut (1998– 2001) und an strategischen Stellen in der Stadt errichtet (auf dem Gelände eines ehemaligen Flüchtlingslagers und der alten Demarkationslinie). Sie sind temporäre Bauten (sechs bis neun Jahre) und transformieren die jüngsten politische Geschichte des Libanon in moderne Club-Architektur. Bislang konnte Bernard Khoury nur einige seiner Projekte realisieren. Deshalb wird die Ausstellung auch eine Auswahl seiner geplanten Projekte und phatastischen Fiktionen zeigen.

Realisierte Projekte:
B 018: Musikclub;
Centrale: Konversion einer alten Wohnstruktur in ein Restaurant/Bar;
Yabani: Japanisches Restaurant/Bar;

Planungen:
Zog house 1+2: Wohnanlagen;
Full Plastic Jacket: Umbau eines Bürokomplexes;
Checkpoint: Projekt für mehrere Polizei- und Armee-Stützpunkte in der City von Beirut;
Ajax: Büroanbauten auf dem Dachgeschoss einer Industrieanlage;
Program Trading Development: Hochhausentwurf für ein Bürogebäude;
Evolving Scars: Projekt für die Mutation und Beseitigung der Ruinen von Beirut;
American University of Beirut: Studententisches Erholungszentrum;
Solidere Marina: Yachtklub mit Anlagen.

Zur Eröffnung sprechen Kristin Feireiss, Berlin
Johannes Odenthal, Projektleiter der Ausstellung DisORIENTation im Haus der Kulturen der Welt, Berlin.

Bernard Khoury, Architekt:
Beirut ist die toleranteste, die offenste Metropole der Arabischen Welt, eine Stadt mit kosmopolitischer Tradition, eine Stadt der Unterhaltungsindustrie, Tor zum Westen und Umschlagplatz von Großkapital. «Das Nachkriegs-Beirut ist eine hyperzeitgenössische Version der kapitalistischen Stadt im Zustand der Anarchie, ein faszinierendes und zugleich erschreckendes Produkt westlicher Einflüsse, das außer Kontrolle geraten ist. » resümiert Bernard Khoury. Beirut, das Paris des Ostens, wurde im Bürgerkrieg zwischen 1975 und 1990 in einem zermürbenden Straßen-, Häuser- und Hotelkampf zerstört. Was mit einem Konflikt zwischen Christlichen Milizen und Palästinensern begonnen hatte, führte später zu ständig wechselnden Koalitionen und erbitterten Kämpfen und Frontlinien zwischen Christen und Christen, Schiiten und Palästinerns, Drusen und Maroniten, Palästinensern und Palästiner, Schiiten und Drüsen sowie Schiiten und Schiiten. Der kosmopolitische Kern der libanesischen, levantinischen Gesellschaft, die ethnische und religiöse Vielfalt, wurde in der Ideologisierung von Identitäten zerstört. Das Stadtzentrum als Ort der kollektiven Geschichte, die Theater, Kinos, Restaurants und Cafés als Öffentliche Räume des Zusammenlebens fielen dem Separatismus des Bürgerkriegs zum Opfer. Das historische Stadtzentrum, die Suks, die Al Hamra Straße, sie haben die Bedeutung für diese kosmopolitische Erinnerung verloren. Die urbanen Räume sind planiert, stehen leer als Ruinen oder werden in einem orientalisierenden Sinne von der Staatlichen Wiederaufbaugesellschaft Solidère rekonstruiert. Für die intellektuelle Szene Beiruts hat ein zweiter Krieg, ein Krieg gegen die Erinnerung, wie der Schriftsteller und Journalist Elias Khoury sagt, begonnen. Bis heute werden Postkarten verkauft, die aus der Zeit vor dem Bürgerkrieg stammen. Ein touristisches Bild beherrscht den offiziellen Wiederaufbau, mit dem die einschneidenden traumatischen Erfahrungen aller Bewohner Beiruts aus dem Bürgerkrieg, vor allem aber die Erfahrungen aus der klassischen Blütezeit vor dem Krieg, aus dem öffentlichen Dirkurs gelöscht werden. Während von den Künstlern und Intellektuellen die zeitgenössische Restaurierung von historischen Bauten gefordert wird, wird tatsächlich die architektonische Erinnerung spekulativen Hochhausprojekten geopfert oder in einem levanthinischen Disneyland mit Fußgängerzonen und unbezahlbaren Gewerberäumen verklärt. Zielsetzung: der arabische Tourismus. Die Strategie, unverarbeitete Geschichte zu überspringen, ist die Dynamik staatlicher Politik. Dagegen stehen vereinzelte Kunstprojekte wie das Festival Ayloul, die Initiative Ashkal Alwan und nicht zuletzt Bernard Khoury, der als einziger im kapitalistisch geprägten Mainstream den Finger in die historischen Wunden der Stadt legt. In einer Metropole, in der auch nicht der geringste Raum für dringend erforderliche historische Aufarbeitung existiert, in diesem Machtbetrieb ist es Bernard Khoury gelungen, die vorherrschende Entwicklung noch zu bechleunigen und sie auf einen zynischen Break Even hin voranzutreiben. Insofern sind die realisierten Bauprojekte von Khoury in ihrem Stellenwert für die arabische Welt einzigartig. Alle Auftragsprojekte wurden im Bereich der Unterhaltungsindustrie ermöglicht, einem Kernsektor der Libanesischen Wirtschaft. Doch gleichzeitig reflektieren sie auf die urbanistische Wirklichkeit, historisch und aktuell, werden zu Erinnerungsbauten einer verdrängten Geschichte. Und zwar nicht einer vergangenen Zeit, sondern einer gelebten Zeit, einer Zeit, die sich in die Körper und die Erinnerung eines jeden Individuums eingeschrieben hat. Bernard Khoury definiert sich, anders als die modernen arabischen Architekten, als radikaler Erneuerer, der sich an die klassischen arabischen Formensprachen nicht hält. Die historischen Traditionen sind für ihn nicht Vorgaben, sondern Bezugspunkte einer anarchistischen Aufklärung. Sie sind Ausdruck der Lebenssituation in Beirut und transformieren kompromißlos die Vorgaben der Auftraggeber in künstlerische Statements. Der wirtschaftliche Erfolg der Projekte spricht dafür wie die ästhetischen Ergebnisse. Bernard Khoury hat eine Architecture Parlante geschaffen, die den Besucher immer in einem ambivalenten Erfahrungshorizont beläßt. Indem Khoury Geschichte zitiert, wörtlich und in einem übertragenen Sinne, schafft er ephemere Memorialbauten, Orte der Unterhaltung, an denen das Trauma transformiert werden kann. Die architektonische Sprache definiert sich nicht formal, sondern strukturell, insbesondere in dem vollkommen innovative, ja zukunftsweisende Umgang mit historischen Schichten von konkretem Baubestand und städtebaulicher Verortung. Eine Art politisierter Archäologie der jüngsten Beiruter Vergangenheit.