Das Berliner Schloss: Aufruf zu einem Moratorium

17.2. – 5.3.2001

Eröffnung/Opening:
17.02.2001


 

Aedes Kooperationspartner

 

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Das Berliner Schloss: Aufruf zu einem Moratorium

Die politische Bedeutung des Schlosses rechtfertigt nicht dessen Wiederaufbau. Preußen ist vergangen, das Kaiserreich überwunden. Die Aufgaben der Gegenwart und Zukunft, europäische Integration, Globalisierung und multikulturelle Assimilation, sind anderer Natur. Die historische Bedeutung des Schlosses verbietet dessen Wiederaufbau. Das Schloss war ein Geschichtszeugnis ersten Ranges, doch die Rekonstruktion eines Zeugnisses ist Urkundenfälschung. Der Mangel an sinnvollen Nutzungen macht den Wiederaufbau des Schlosses hinfällig. An über-zeugenden Vorschlägen für den Inhalt eines rekonstruierten Schlosses mangelt es. Für Funktionen, die in der Stadt mehrfach anderweitig erfüllt sind, wird kein Schloss benötigt. Ein Museum für außereuropäische Kunst ist nicht in barocken Kabinetten, sondern nur in einem maßgeschneiderten Neubau optimal und vor allem international konkurrenzfähig untergebracht. Die kunsthistorische Bedeutung des Schlosses rechtfertigt nicht dessen Wiederaufbau. Gerade die gestaltbestimmenden Teile des Ensembles, der Westbau und die Kuppel aus dem 19. Jahrhundert, waren künstlerisch zweitrangig. Lediglich Schlüters Beitrag war ersten Ranges, seine Großtat der Entwurf des Innenhofs. Die Denkmaleigenschaft des Schlosses verbietet dessen Wiederaufbau. Die beliebige Reproduktion historischer Bauten entwertet die originalen Baudenkmale. Die Wiedererrichtung verloren gegangener Baudenk-male ist Geschichtsklitterung. Gelder, die für ein teures Falsifikat ausgegeben werden, fehlen bei den verfallenden wahren Denkmalen. Die künstlerische Qualität der Bauskulptur macht den Wiederaufbau des Schlosses unmöglich. Schlüters eigenhändige Bildhauerkunst ist nicht reproduzierbar. Ein Faksimile wäre Kunstfälschung. Die bauarchäologische Struktur des Schlosses macht dessen Wiederaufbau unmöglich. Das Schloss war ein komplexer Organismus unterschiedlichster Bauteile aus sechs Jahrhunderten. Insbesondere die verwinkelten und malerischen Ostteile aus der Renaissance sind nicht wiederzugewinnen. Die ästhetische Qualität des Schlosses rechtfertigt nicht dessen Wiederaufbau. Zeitgenossen früherer Jahrhunderte klagten über den düsteren, ungeschlachten Kasten. Als Schönheit galt er nie. Wir haben die Kriterien für die Beurteilung historischer Architektur verlernt. Alter und Größe und Erhabenheit dürfen nicht mit Schönheit verwechselt werden. Die „leere Mitte" rechtfertigt nicht den Wiederaufbau des Schlosses. Die "leere Mitte" ist ein Mythos. Das Straßengefüge der Berliner Innenstadt ist nie auf das Schloss zentriert gewesen, das „Herz Berlins" schlug nie hier - höchstens jenes des Kaisers. Die zentralistische Stadtorganisation feudaler Gesellschaftsordnungen ist nicht mehr zeitgemäß, die polyzentrische Stadt funktioniert auch ohne das Schloss. Die städtebauliche Situation des Schlosses spricht gegen dessen Wiederaufbau. Das Schloss stand als monumentaler Fremdkörper auf weiter Flur ohne Bezug zum stadtstrukturellen Nutzungs- und Raumgeflecht. Diesen städtebaulichen Missstand ohne Not wieder herzustellen, kann niemand ernsthaft erwägen. Deswegen ist ein Moratorium geboten. Alle Kommissionsergebnisse, Teillösungen, Amalgame von Neu und Alt, hier ein Fragment Palast der Republik, da eine Partie Schloss, dort ein Stück Moderne, außen Sandsteinnostalgie, innen pragmatische Zeitgenossenschaft, führen zu mediokren, mutlosen Kompromisslösungen, nicht jedoch zu hoher Baukultur, die einzig dem prominenten Ort angemessen wäre. Es gibt keinen Anlass, den Schlossplatz möglichst rasch nur irgendwie zu füllen. Jetzt bauen hieße auch, einer späteren Generation die Chance zu nehmen, dort eine angemessene Nutzung unterzubringen. Statt dessen sollte den Platz eine Art Central Park einnehmen, der sich auch als Dauerlösung etablieren könnte.

Diesen Aufruf zur Denkpause können Sie durch Ihre Unterschrift unterstützen. Ihre Meinung können Sie in einem ausgelegten Buch in der Galerie Aedes West zwischen dem 17. 2. und 5.3.2001, auf der Homepage www.aedes-galerie.de oder per E-Mail unter [email protected] bekunden.